Das Landgericht Köln hat in seinem Urteil vom 07.05.2012 (Az. 151 Ns 169/11, NJW 2012, 2128) die religiös motivierte Beschneidung eines Jungen durch einen muslimischen Arzt als strafbare Körperverletzung bewertet. Den im Verfahren angeklagten Arzt hat es jedoch dennoch freigesprochen, weil dieser einem sog. Verbotsirrtum erlegen sei. Der Angeklagte habe guten Gewissens gehandelt und ging fest davon aus, kein Unrecht zu tun. Aufgrund der ungeklärten Rechtslage war dieser Irrtum unvermeidbar. Das Urteil ist unseres Erachtens falsch und in den entscheidenden Punkten oberflächlich. Ärgerlich ist darüber hinaus, dass das Urteil durch den Freispruch nicht über eine höchstrichterliche Rechtsprechung revidiert werden kann, weil die Staatsanwaltschaft (aus unerklärlichen Gründen) kein Rechtsmittel eingelegt hat.

Dass die Beschneidung strafrechtlich sowohl den objektiven als auch subjektiven Tatbestand einer Körperverletzung erfüllt, ist unstreitig. Viel zu leicht macht es sich allerdings das LG Köln bei der Frage der Rechtfertigung der Körperverletzung über eine religiös motivierte Einwilligung der Eltern. Nach Auffassung des LG Köln könne das Grundrecht der Religionsfreiheit jedenfalls nicht das ebenfalls verfassungsrechtlich garantierte Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung begrenzen. Diese Auffassung verkennt, dass auch das betroffene Kind ein Grundrecht auf Religionsausübung hat und dies seit Geburt. Das LG Köln hat dementsprechend die Kernproblematik in Bezug auf die Religionsfreiheit gar nicht gesehen. Das Urteil ist viel zu unsensibel mit der Frage der Religionsfreiheit umgegangen. Es fehlt auch an einer tiefer gehenden Auseinandersetzung mit ähnlichen Fällen wie Impfungen oder dem Stechen von Ohrlöchern. Auch diese Handlungen stellen Körperverletzungen dar, die jedoch allgemein über die Einwilligung der Eltern als gerechtfertigt angesehen werden. Es ist zu wünschen, dass die durch die Entscheidung des LG Köln entstandene Rechtsunsicherheit bezüglich der Zulässigkeit religiös motivierter Beschneidungen schnellstmöglich beseitigt wird, sei es durch den Gesetzgeber oder ein anderes obergerichtliches Urteil.