Nachdem die Fraktionen CDU/CSU und SPD bereits im Koalitionsvertrag vereinbart hatten, Fahrverbote als Sanktionsmittel für alle Straftaten zu öffnen, wurde nun am Donnerstag, 22. Juni 2017, im Bundestag ein entsprechender Gesetzesentwurf „zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze“ verabschiedet. Im Allgemeinen konzentriert sich der Entwurf auf die Steigerung der Effizienz der Strafverfolgung, was unter anderem die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Fahrverbots auf alle Straftaten, nicht mehr nur auf Verkehrsdelikte, umfasst.

Bisher war die Anwendbarkeit des Fahrverbots als strafrechtliche Sanktion auf Straftaten beschränkt, die im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurden. Nun soll das Fahrverbot zusätzlich in solchen Fällen Anwendung finden, in denen eine Geldstrafe alleine beim Verurteilten womöglich keinen hinreichenden Eindruck hinterlässt, das Verhängen einer Freiheitsstrafe allerdings eine zu einschneidende Sanktion wäre. In Kombination mit einer Geldstrafe könnte das Fahrverbot außerdem auch bei einer angezeigten Freiheitsstrafe ausgesprochen werden, um die Möglichkeit zu eröffnen, die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen. Zusammengefasst wird dadurch ein neuer Weg geschaffen, „zielgenau, spürbar und schuldangemessen“ auf den Täter einzuwirken, was der Vermeidung einer Verhängung und Vollstreckung eher kurzer Freiheitsstrafen dienen könnte.

Diese Ausweitung ist vor allem insofern sinnvoll, als den Gerichten bisweilen insbesondere im Bereich kleinerer und mittlerer Kriminalität nur wenige Reaktions- bzw. Sanktionsmöglichkeiten gegeben sind, in geeigneter Weise auf Straftäter einzuwirken. Als Hauptsanktionen bieten sich im materiellen Strafrecht die Geld- und die Freiheitsstrafe an. Feinere Differenzierung bei der Strafwahl ist darüber hinaus nur bei Freiheitsstrafen möglich, indem die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird und der Verurteilte unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers gestellt wird. Abgesehen von der selten angewandten Verwarnung mit Strafvorbehalt verbleiben ansonsten nur Mittel, die schon im Vorfeld der Verurteilung angewandt werden müssen. Folgerichtig erweitert die Anwendbarkeit der Nebenstrafe Fahrverbot auf alle Straftaten den Reaktionsspielraum der Justiz in durchaus beachtlichem Maße. Beispielsweise kann durch Verhängung eines Fahrverbots neben einer Geldstrafe auf spezialpräventiv nachdrücklichere Weise auf sehr vermögende, durch Auferlegung einer Geldstrafe allein eventuell nicht ausreichend zu beeindruckende Täter oder Verurteilte, deren Geldstrafe von Dritten (z. B. dem Arbeitgeber) übernommen wird, eingewirkt werden. Nachdem das Auto in der heutigen Gesellschaft Mobilitätsgrundlage und Prestigeobjekt darstellt, ja über die Mobilität hinaus auch einen emotionalen Stellenwert genießt, kann das Fahrverbot in gewissen Fällen als empfindlich treffende Sanktion fungieren. Betrachtet man die unabhängige Teilnahme am Straßenverkehr als Ausdruck individueller Freiheit, so stellt ein Fahrverbot durchaus eine Freiheitsbeschränkung moderner Art dar. Gerade im Jugendstrafrecht, bei dem der Erziehungsgedanke gegenüber dem Schuldausgleich Vorrang genießt, könnte die Akzeptanz eines Fahrverbots – mit der damit verbundenen Umgehung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe – dafür sorgen, dass junge Straftäter nicht mit erfahreneren Tätern im Gefängnis in Kontakt kommen oder etwa durch den Vollzug ihre Ausbildung abbrechen müssen. Gleichzeitig können hohe Vollstreckungskosten gespart werden.

Die von Automobilclubs und Verkehrsjuristen an der Gesetzesänderung geäußerte Kritik, wonach die Ausweitung des Fahrverbots überflüssig und in der Konsequenz nur eine Mehrbelastung für die Justiz sei, ist daher nicht überzeugend. Das Fahrverbot wird nicht zur Hauptstrafe, sondern bleibt Nebenstrafe: Es kommt also zu keinen einschneidenden Änderungen im Sanktionensystem, vielmehr wird lediglich eine ergänzende Möglichkeit geschaffen, den Strafzweck differenzierter zu erreichen.