Am 28.10.2010 ist das Gesetz zur Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen vom 24.02.2005 in Kraft getreten. Damit gibt es nunmehr eine gesetzliche Grundlage für die Vollstreckung von Bußgeldbescheiden wegen Verkehrsverstößen im europäischen Ausland. Bisher konnten Bußgeldbescheide aus dem Ausland nur dann in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckt werden, wenn ein Vollstreckungsabkommen auf völkerrechtlicher Ebene mit dem betreffenden Staat vorlag. Ein derartiges Abkommen bestand beispielsweise mit Österreich und Holland. Mit anderen EU-Staaten dagegen nicht, weshalb eine Vollstreckung von Bußgeldbescheiden auch aus EU-Ländern in der Bundesrepublik nicht möglich war. Das so genannte europäische Geldsanktionsgesetz ändert diese Rechtslage jetzt grundlegend.

Nach dem neuen Gesetz können Bußgelder aus dem EU-Ausland von mindestens 70,00 € auch in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckt werden. Bei Sanktionen unter 70,00 € bleibt es dagegen bei der bisherigen Rechtslage. Derartige Bußgelder können nur im Tatortstaat vollstreckt werden. Die Vollstreckung von Bußgeldern über 70 EUR nach dem neuen Gesetz ist allerdings an eine Reihe formaler Anforderungen geknüpft. So muss beispielsweise das Original oder eine beglaubigte Abschrift der Bußgeldentscheidung sowie ein ausführliches Vorblatt, das unter anderem eine Zusammenfassung des Sachverhaltes in deutscher Sprache enthalten muss, vorgelegt werden. Dies alles auf Kosten des ersuchenden Staates. Zahlt der Verkehrssünder den Bußgeldbescheid nicht, dann kann der Staat, in dem der Verkehrsverstoß begangen wurde, das Bundesamt der Justiz einschalten. Dieses kann dann einen Vollstreckungsbescheid erlassen, der von den Vollstreckungsbehörden auch vollstreckt werden kann. Den Vollstreckungserlös darf im Übrigen die Bundesrepublik Deutschland behalten. Gegen den Vollstreckungsbescheid haben die Betroffen die Möglichkeit des Einspruchs. Selbstverständlich steht dem Betroffenen auch gegen den Bußgeldbescheid des Tatortstaates ein Rechtsmittel zu. Allerdings muss der Betroffene dann ggf. zu einer Gerichtsverhandlung ins Ausland fahren.

Problematisch ist die gegenseitige Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen in rechtlicher Hinsicht vor allem im Hinblick darauf, dass andere europäische Staaten im Vergleich zur bundesdeutschen Rechtsordnung Besonderheiten aufweisen. Das deutsche Recht kennt beispielsweise, ausgenommen im ruhenden Verkehr, keine Halterhaftung, d. h. nicht der Halter, sondern nur der Fahrer des Fahrzeugs kann in Deutschland sanktioniert werden. Dies ist in vielen anderen europäischen Staaten anders. Diese Problematik wurde beim europäischen Geldsanktionsgesetz dahingehend entschärft, dass die Vollstreckung in Deutschland dann unzulässig ist, wenn der Halter im ausländischen Verfahren keine Gelegenheit zum Einwand hatte, er sei für den Verkehrsverstoß nicht verantwortlich.

Es bleibt abzuwarten, ob die neue Vollstreckungs-Regelung tatsächlich große Auswirkung auf die Praxis hat. Immerhin kann der Verkehrssünder selbst bei höherer Sanktion hoffen, dass der Tatortstaat auf die Vollstreckung verzichtet, da nicht unerhebliche Kosten für den Tatortstaat anfallen. Ohnehin bleibt es fraglich, ob ohne grenzüberschreitende Unterstützung bei der Fahrerermittlung im Ausland begangene Verkehrsverstöße häufiger sanktioniert werden. Ein Problem bleibt aber jedenfalls bestehen. Wenn Verkehrssünder einen Bußgeldbescheid aus dem Ausland nicht bezahlen und in den Tatortstaat zurückkehren, besteht die Gefahr, dass sie aufgehalten werden und „an Ort und Stelle“ bezahlen müssen, wenn sie weiterfahren wollen.