Verkehrsordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr wie Geschwindigkeitsüberschreitungen und Abstandsverstöße kommen alltäglich vor. Die Tatsache, dass man beispielsweise geblitzt wurde, bedeutet jedoch nicht zwingend, dass man auch ein Bußgeld bezahlen muss und Punkte in Flensburg bekommt. Es gibt nämlich vielfältige Möglichkeiten, sich gegen den Vorwurf, eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen zu haben, zu wehren.

1.         Fahreridentifikation

In der Bundesrepublik Deutschland gilt das Schuldprinzip. Dies bedeutet, dass es anders als in anderen europäischen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland keine Halterhaftung gibt. Ausgenommen hiervon sind nur Parkverstöße. Wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit aufgrund Geschwindigkeitsüberschreitung oder Abstandsverstoßes kann deshalb nur der tatsächliche Fahrer belangt werden und nicht der Halter des Fahrzeugs. Dies eröffnet die ersten Verteidigungsmöglichkeiten, wenn beispielsweise das Bildmaterial schlecht ist und der Fahrer nicht eindeutig identifiziert werden kann. Der Fahrzeughalter ist grundsätzlich nicht verpflichtet, gegenüber der Polizei mitzuteilen, wer zum fraglichen Tatzeitpunkt sein Fahrzeug geführt hat. Dies insbesondere, wenn den Fahrzeughalter ein Zeugnisverweigerungsrecht, wie er es beispielsweise gegenüber Familienangehörigen besitzt, zur Seite steht. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuches auferlegt wird.

2.         Verjährung

Die Frist der Verfolgungsverjährung beträgt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten nach § 26 Abs. 3 StVG drei Monate, solange wegen der Handlung kein Bußgeldbescheid ergangen ist, danach sechs Monate. Allerdings kann die Verjährung durch verschiedene Handlungen der Behörden unterbrochen werden. Dies beispielsweise auch schon durch die Anordnung einer Anhörung des Betroffenen. Auch der Erlass des Bußgeldbescheides unterbricht die Verjährung. Nichtsdestotrotz gilt es, den Aspekt der Verfolgungsverjährung gerade bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, die einer kurzen Verjährung unterliegen, immer zu prüfen.

3.         Messmethoden

Es gibt gerade im Bereich der Geschwindigkeitsmessung inzwischen eine Vielzahl von Messverfahren, die von der Rechtsprechung als standardisierte Messverfahren eingestuft werden. Nichtdestotrotz zeigt die Praxis, dass in der Anwendung dieser Messverfahren immer wieder Fehler passieren, die der Verhängung eines Bußgeldbescheides entgegenstehen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Lichtschrankenmessverfahren, Radarmessverfahren, Lasermessverfahren, Abstandsmessverfahren oder stationäre Messverfahren mittels Piezosensoren handelt. Messfehler beruhen in aller Regel hierbei nicht auf den Geräten selbst, sondern auf der Anwendung der Geräte. Jedes Messverfahren hat Besonderheiten, die zu beachten sind. Die Nichtbeachtung kann im Einzelfall auch zur Unverwertbarkeit des Messergebnisses führen. Dies gilt insbesondere auch bei Messverfahren durch Nachfahren.

4.         Rechtsfolgen 

Auch auf Rechtsfolgenebene gibt es eine ganze Reihe von Argumenten, die gerade, wenn es um ein drohendes Fahrverbot geht, zur Milderung der Rechtsfolgen führen können. In diesem Zusammenhang spielen vor allem tatsächliche Fragen eine Rolle, wie es zu dem Verkehrsverstoß kam. Handelt es sich um einen atypischen Verkehrsverstoß, kann versucht werden, die Geldbuße unter 40,00 € zu drücken mit der Folge, dass es keine Punkte in Flensburg gibt. Sind gewisse Richtlinien seitens der Messbeamten nicht eingehalten, kann ebenfalls auf Rechtsfolgenseite – je nach Einzelfall – eine Herabsetzung der Geldbuße erreicht werden. Fand beispielsweise die Messung unmittelbar nach der die Geschwindigkeitsbeschränkung anzeigenden Verkehrszeichen statt, geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein Fahrverbot aufgrund eines Ausnahmefalls nicht gerechtfertigt ist. Gemäß den Richtlinien für die polizeiliche Verkehrsüberwachung müssen in Bayern mindestens 200 m zwischen der Geschwindigkeitsbeschränkung und der Geschwindigkeitsüberwachung liegen.

Auch das sogenannte „Augenblicksversagen“ kann sich strafmildernd auswirken. Ein Augenblicksversagen liegt vor, wenn der Betroffene infolge einfacher Fahrlässigkeit beispielsweise ein Geschwindigkeit begrenzendes Zeichen übersehen hat und keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer sich die Geschwindigkeitsbeschränkung aufdrängen musste. Dieses Augenblicksversagen kann herangezogen werden, um beispielsweise ein Fahrverbot zu vermeiden.

Neben den tatbezogenen Umständen können sich auch persönliche und wirtschaftliche Umstände des Betroffenen rechtsfolgenmindernd auswirken. Wenn beispielsweise ein Fahrverbot existenzgefährdend wirkt, kann dies als Argument für ein Absehen vom Fahrverbot herangezogen werden. Schließlich kann auch versucht werden, über mildere Maßnahmen wie Nachschulungen oder den Besuch eines Aufbauseminars einer Fahrverbotsanordnung entgegenzuwirken. Auch notstandsähnliche Lagen und Irrtümer können es rechtfertigen, auf Rechtsfolgenebene die Ordnungswidrigkeit verträglicher zu machen.

5.         Fazit

Aufgrund der Vielzahl der möglichen Einwände gegen eine Verkehrsordnungswidrigkeit lohnt es sich in jedem Fall, den einem zur Last gelegten Vorwurf zu überprüfen. Dies am besten in einem frühen Stadium des Ordnungswidrigkeitenverfahrens und nicht erst, wenn bereits der Bußgeldbescheid erlassen ist. Um sämtliche Verteidigungsmöglichkeiten offenzuhalten, empfiehlt es sich auch, bei einer Anhörung bezüglich einer Verkehrsordnungswidrigkeit zunächst keine Angaben zur Sache zu machen. Dies ist das gute Recht von jedermann. Will man sich gegen den Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit zur Wehr setzen, sollte man unbedingt einen Fachmann zurate ziehen.