Der BGH hat am Freitag, den 22.02.2019 unter dem Aktenzeichen VIII ZR 225/17 einen Hinweisbeschluss zu einem Verfahren im VW-Abgasskandal veröffentlicht. Dieser Hinweisbeschluss erhöht die Chancen für Geschädigte auf Schadensersatz, nicht nur zwischen dem Käufer mit dem Händler, sondern auch direkt gegen den Konzern. Seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals haben bereits zahlreiche Geschädigte Klage eingereicht. In Bezug auf die Frage, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung einen Mangel darstellt, gab es zahlreiche Urteile, die zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Nun hat der BGH mit seinem Hinweisbeschluss sich auf die Seiten der Geschädigten gestellt. Der BGH geht nämlich davon aus, dass ein Fahrzeug, welches mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, einen Sachmangel darstellt. Dass der BGH überhaupt hierzu noch Stellung genommen hatte, ist außergewöhnlich. Denn das Verfahren, das eigentlich vor dem BGH verhandelt werden sollte, wurde durch einen Vergleich beendet, so dass der BGH den anberaumten Termin aufgehoben hat. Möglicherweise sollte über den Vergleich eine höchstrichterliche negative Entscheidung des BGH vermieden werden und der BGH wollte sich dies nicht bieten lassen, so dass es trotz des Vergleichs zu dem Hinweisbeschluss kam. Vor dem BGH sollte folgender Fall verhandelt werden:
Der Kläger erwarb von der beklagten Kfz-Händlerin einen im Juli 2015 an ihn ausgelieferten Neuwagen VW Tiguan 2.0 TDI der ersten Generation, der mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 ausgestattet war. Das Fahrzeug ist mit einer Software versehen, die erkennt, ob es sich in einem Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befindet und in diesem Fall (anders als im normalen Fahrbetrieb) verstärkt Abgase in den Motor zurückleitet, um eine Verringerung der am Auspuff gemessenen Stickoxide (NOx-Werte) zu erreichen.
Wegen dieser Software, die nach Auffassung des Kraftfahrtbundesamts eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, verlangte der Kläger von der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 20.11.2015 erfolglos die Nachlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs (§ 434 Abs. 1, § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 BGB). Mit der Klage begehrt der Kläger in erster Linie die Ersatzlieferung eines Neufahrzeugs mit identischer Ausstattung und hilfsweise die Nachbesserung des von ihm erworbenen Fahrzeugs. Nach den Feststellungen des OLG produziert der Fahrzeughersteller seit 2016 allerdings nur noch die zweite Generation des entsprechenden Fahrzeugtyps, die mehrere Änderungen gegenüber der ersten Generation aufweist.
LG und OLG wiesen die Klage – mit Ausnahme des hilfsweise geltend gemachten Nachbesserungsverlangens – ab. Mit der eingelegten Revision verfolgte der Kläger sein auf Nachlieferung gerichtetes Klagebegehren weiter. Die Parteien haben sich aber noch vor dem anberaumten Termin geeinigt, so dass der Termin aufgehoben wurde.
Mit dem Hinweisbeschluss des BGH wurde vor allem eine zentrale Argumentationsgrundlage für den Konzern entzogen. Denn der Konzern selbst hat stets argumentiert, dass die Abschalteinrichtung nicht unzulässig ist und zudem kein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt. Der Beschluss ist insoweit für die Rechte aus § 437 ff. BGB wichtig und spielt im Rahmen des Vermögensschaden bei §§ 823, 263 StGB eine große Rolle. Im Rahmen des Tatbestandes muss der Kläger nämlich nachweisen, dass ihm ein Vermögensschaden entstanden ist. Der Konzern bestreitet dies bis heute, weil es angeblich keinen Mangel gibt. Durch den Beschluss des BGH steht jetzt fest, dass die manipulierten Fahrzeuge mangelbehaftet sind. Der jeweilige Geschädigte hat einen Vermögensschaden. Er hat nämlich den vollen Kaufpreis für einen mangelfreien Pkw bezahlt und nur einen mangelhaften, manipulierten Pkw erhalten. Da nach dem Bundesgerichtshof ein Mangel nunmehr feststeht, unterliegen die mangelhaften Fahrzeuge einem Makel. Ein mangelhaftes Fahrzeug wird von keinem Käufer gleichwertig behandelt, wie ein mangelfreies Fahrzeug. Der Schaden besteht also in dem Erwerb des mangelhaften Fahrzeugs. Der Konzern kann nun nicht mehr behaupten, dass den Geschädigten kein Schaden entstanden sei.
Weiterhin spielt die Feststellung des Mangels für die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB eine ganz erhebliche Rolle. Der Konzern hat bewusst veranlasst, dass massenweise mangelhafte Fahrzeuge verkauft werden. Dabei wurde bewusst in Kauf genommen, dass die Händler die Fahrzeuge verkaufen, ohne dass die Manipulation aufgedeckt wird. Verdeckt hat VW daher die Händler zu einem Vertragsbruch verleitet, ohne dass diese es wussten. Sie wurden für die Machenschaften von VW missbraucht. Dies ist grob sittenwidrig und verpflichtet die Volkswagen AG daher zum Schadensersatz. Auch diesbezüglich kann sich VW nicht mehr damit herausreden, dass die Fahrzeuge nicht mangelhaft seien und die Kläger keinen Schaden hätten.